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»Nachtfeuer« von Hanna Caspian (Gut-Greifenau-Trilogie)

Der zweite Band der Gut Greifenau Trilogie hält erneut einige Überraschungen bereit. Er umfasst die Jahre von 1914 bis Ende 1917, quasi den gesamten ersten Weltkrieg. Während Deutschland wegen der Dauer des Krieges, der ja nur ein paar Wochen dauern sollte, immer mehr im Abgrund versinkt, versuchen die Herrschaften von Greifenau ihre noble Fassade aufrechtzuerhalten, was ihnen nur leidlich gelingt.

Abendglanz

»Abendglanz« von Hanna Caspian (Gut-Greifenau-Trilogie)

„Abendglanz“ ist der erste Band der brandneuen Familiensaga von Hanna Caspian, die als „Gut Greifenau“-Trilogie im Handel verfügbar ist. Alle drei Bände werden bis März 2019 erscheinen.

Es ist Mai 1913. Die Zeiten sind im Umbruch. Die Grafenfamilie von Grafenau hält traditionell an eingefahrenen Wegen und Ritualen fest. Doch den Kindern wird das Korsett der adligen Etikette zu eng. Der alte Patriarch verstirbt bald, sein Sohn hat bisher nur gelernt, Lebemann zu sein. Doch er ist der Erbe des Gutes und regiert fortan als neuer Patriarch. Aber sein Sohn Konstantin hat Landwirtschaft studiert und brennt darauf, seine Ideen dem Vater vorzustellen und das Gut für die Zukunft fit zu machen. Sein Großvater hatte ihn mit „dem neuen Zeug‘ ins Leere laufen lassen. Obwohl sein Vater nicht viel von Landwirtschaft versteht, will der die Zügel aber nicht aus der Hand geben. Konstantins Schwester Katharina verliebt sich in einen etwa gleichaltrigen Industriellenjungen. Obwohl dessen Eltern, somit auch er, steinreich sind, kommt für die Gräfin eine Verbindung von Katka mit Julius nicht infrage. Die Hauptberufung der Gräfin besteht darin, ihre Tochter so teuer wie möglich zu verheiraten. Da kommt ihr ein Neffe des Kaisers gerade recht. Doch Katharina wehrt sich.

Die Mutter des Satans

»Die Mutter des Satans« von Claudia und Nadja Beinert

In einer Zeit, in der der große Reformator Martin Luther in aller Munde ist, erscheint der Roman „Die Mutter des Satans“ von den Zwillingsschwestern Claudia und Nadia Beinert natürlich zum richtigen Zeitpunkt. Und dennoch hebt sich der Roman in besonderer Weise von der üblichen Martin-Luther-Literatur ab: Es ist ein fiktiver Roman durch die Augen seiner Mutter gesehen.

Birgit Vanderbeke: Ich freue mich, dass ich geboren bin

Sie hat heute ihren siebten Geburtstag und freut sich auf die Geschenke. Doch es gehen ihr an diesem Tag so viele Gedanken durch den Kopf. Deshalb erzählt sie uns davon. Sie erzählt von ihren Großeltern, von Mutter und Vater, vom Abhauen aus dem Osten in den Westen, von Tante Eka im Flüchtlingslager mit ihren zwei Männern Onkel Grewatsch und Onkel Winkelmann mit seinen vielen Büchern und Geschichten. „Das war das Schöne im Flüchtlingslager gewesen. Weil Onkel Winkelmann mir das alles erzählte und aus seinen Büchern vorlas, konnte ich mich an all die fremden Gewürze in der Gemeinschaftsküche sofort erinnern, obwohl ich sie gar nicht kannte und niemals gerochen hatte, aber Onkel Winkelmann und die aufgefädelten Buchstabengeschichten in seinen Büchern erzählten sie so genau, dass ich sie in der Nase hatte und jedes Mal Lust bekam, einen Löffel davon zu probieren.“ Sie erzählt vom Leben im Flüchtlingslager und von der Arbeitersiedlung, die danach folgte.
Ihr siebter Geburtstag ist irgendwann in den 1960er Jahren. Einen Namen hat sie in dieser Geschichte nicht. Denn schließlich sagt Mutter immer. Kind, was soll ich mit dir bloß machen? Oder: Kind, was soll aus dir bloß werden?
Birgit Vanderbeke hat als Erzählstil den eines siebenjährigen Mädchens, bzw. das, was sich ein Erwachsener darunter vorstellt, gewählt. Das ist im ersten Moment ungewohnt. Doch nach wenigen Seiten gibt sich das. Der Stil wird einem vertraut, man lässt sich darauf ein, dass ein Kind erzählt. Er wirkt sehr authentisch, und der Leser kann feine Ironie und leichten Sarkasmus spüren. Humor wäre jetzt zu weit hergeholt, denn das, was sie in ihrer kurzen Kindheit alles schon erlebt hat, ist alles andere als lustig. In ganz wenigen Momenten erzählt sie alles andere als von einer heilen Welt in den sechziger Jahren. Doch das Mädchen sucht sich ihre Fluchtpunkte. Ob es „solch eine Person wie“ Tante Eka mit ihren zwei Männern, ihre Freundin Gisela, oder ihr italienischer Freund Tassilo sind. Und irgendwann findet sie für sich einen Weg in die ganz große Freiheit. Sie lernt, ihrer Familie zu entfliehen.
Vanderbeke gibt eine genaue Milieustudie der 1960er Jahre wider. Mit der kindlichen Sprache wird die verlogene und bigotte Welt der westlichen Kleinbürger besonders gut akzentuiert. Das Thema Flucht aus dem Osten in den Westen schlägt genauso einen Bogen in die heutige Zeit wie die Flüchtlingszüge am Ende des Zweiten Weltkriegs in die westlichen Gebiete Deutschlands. Auch wenn sich die Erzählung auf die damalige Zeit bezieht, spiegeln sich im Verhalten der Figuren di aktuellen gesellschaftlichen Probleme wider und es zeigt sich, dass kaum etwas von damals getilgt worden ist.
Der Umstand, dass es über den gesamten Roman hinweg kein klar definiertes Ziel in der Geschichte gibt, macht den Roman nicht weniger lesenswert. Denn er fesselt zweifelsohne aufgrund der spielerischen Erzählweise. Interessierte Leser werden an den Figuren und dem Umfeld kleben bleiben.

Vanderbeke, Birgit
Ich freue mich, dass ich geboren bin
Piper Verlag, München
ISBN 9783492057547
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© Detlef Knut, Düsseldorf 2016

Die Lebenspflückerin

Regine Kölpin: Die Lebenspflückerin

Mit dem Roman bringt Regine Kölpin die Leser in das Ostfriesland des 16. Jahrhunderts. Ein Jahrhundert, das geprägt war vom Kampf der Religionen. Die Reformer bekamen immer mehr Zuspruch, doch die Katholiken versuchten mit allen Mitteln, ihre Machtpositionen auszubauen und zu halten. Am Rande dessen entstanden neue und besondere Religionsgemeinschaften, die ihren eigenen Weg gehen wollten. In Ostfriesland fanden sie Ländereien und Wohlgesinnte, die ihnen ein Leben in ihrem Glauben und Frieden versprachen. Ostfriesland war Zufluchtsort vieler Glaubensflüchtlinge besonders aus Holland.

Der Roman zeigt aber, dass es nicht immer ruhig zuging in diesen Gemeinschaften. Als Hiske Aalken, die in Jever als Hexe vor dem Tribunal stand und in letzter Minute fliehen konnte, in der „Herrlichkeit Gödens“ ankommt, ist gerade ein Mord geschehen. Das Opfer war ein Anführer einer Gruppe von Täufern. Sofort wird klar, dass es um Macht innerhalb der Gemeinschaft geht, und dass Hiske für so manchen eine willkommene Täterin wäre. Aber auch der große Junge, von der Erscheinung her beinahe ein Erwachsener, aber nach Alter ein Kind, wird als Täter ins Spiel gebracht. Nur mit Mühe und dank der Menschen, die erkennen, dass Hiskes Kenntnisse als Hebamme und Heilerin unverzichtbar für die Gemeinschaft sind, kann sich Hiske den Anschuldigungen erwehren. Bis schließlich ein weiterer Mord geschieht …

Kölpin hat in diesem Roman eine bedrückende Atmosphäre um eine Religionsgemeinschaft aufgebaut und bringt das Geschehen der damaligen Zustände in einer spannenden Geschichte näher. Schnell erkennt nicht nur die Protagonistin, sondern auch der Leser, dass eine Gemeinschaft so gut wie jede andere ist, wenn es um die Macht und den Anspruch der Führung darinnen geht. Nach umfangreicher Recherche hat die Autorin mit viel Akribie die Zustände beschrieben und reale Personen mit fiktiven Figuren in eine Handlung verstrickt, bei der man auf das Ende hin miträtselt und darauf neugierig bleibt. Doch als Erzählung angelegt, bleiben viele Aktionen, Handlungen und Dialoge etwas auf der Strecke. Ich hätte mir etwas mehr Lebhaftigkeit gewünscht. Der Spannung haben diese erzählenden Strecken allerdings nicht geschadet.

Der erste Band gibt der Trilogie um die Hebamme Hiske Aalken einen angemessenen Auftakt und erhält eine unbedingte Leseempfehlung. (Zur Info: Band 2 „Der Meerkristall“, Band 3 „Das Signum der Täufer“)

Kölpin, Regine
Die Lebenspflückerin
KBV-Verlag, Hillesheim
ISBN 9783942446396

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016

Der letzte Harem

Peter Prange: Der letzte Harem

Die Idee zu diesem Roman hatte der Schriftsteller während einer Reise nach Istanbul. Oberflächlich erlebt der Leser eine Geschichte wie ein Märchen aus 1001er Nacht. Es ist orientalisch, es ist exotisch. Die Farben, die Gerüche, die Klänge, das bunte Leben im damaligen Konstantinopel entstehen vor dem inneren Auge beim Lesen. Auf einer nächsten Ebene geht es in diesem Roman um die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Türkei, die damals ein Verbündeter Deutschland war. Doch schnell spürt der Leser die Brisanz für das Hier und Jetzt. Lebten damals Christen, Moslems und Juden nebeneinander genauso wie Europäer, Syrer, Armenier und Kurden. So lassen uns die Nachrichten in den Medien glauben machen, dass ein solches Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen in der heutigen Zeit sehr schwierig ist. So stellt der Roman die Frage, warum das multikulturelle Zusammenleben in Deutschland immer noch als Gefahr denn als gesellschaftliche Bereicherung gesehen wird.

Jedoch sollte dieses Thema den Leser nicht davon abhalten, die abenteuerliche Geschichte von den beiden Freundinnen Elisa und Fatma zu lesen. Denn wie bei Peter Prange üblich, wird alles in eine spannende und unterhaltende Geschichte eingepackt.

Als die beiden Mädchen zehn Jahre alt sind, werden die Christin Elisa und die Muslima Fatma nach der Zerstörung ihres Dorfes entführt. Sie kommen in den Palast des herrschenden Sultans. Elisa wird als Sklavin für die niederen Arbeiten im Harem eingeteilt. Nicht nur, weil sie Christin ist, sondern auch ihre weniger eleganten Gesichtszüge sind Ursache dafür. Ganz anders hingegen ihre Freundin Fatma, die nun nach mehreren Jahren im Harem Fatima genannt wird. Sie ist eine Schönheit, auch wenn nicht jeder dieses ebenmäßige Gesicht voller Anmut aufgrund des Schleiers zu sehen bekommt. Fatima schafft es, zu den Favoritinnen des Sultans aufzusteigen. Beinahe wird sie sogar eine Ehefrau des Herrschers. Wenn da nicht die Unruhen im Lande wären, und eine Widersacherin, die dem Sultan bereits einen Thronfolger geboren hat. Gerade als Fatima ihm einen zweiten Sohn schenkt und ihre Widersacherin scharfe Geschütze auffährt, wird der Sultan entmachtet und in die Verbannung geschickt. Nun wird es gefährlich für Fatima, ihren Sohn Merut und der Freundin Elisa.

Neben der Spannung in der Geschichte schafft es der Autor mit bildreicher Sprache (den Märchen aus 1001er Nacht entsprechend) das bunte Leben des Orients nachzuzeichnen. Intrigen, Verrat und Gemetzel lassen den Leser mit den Protagonisten mitfiebern, Sympathien und Antipathien für die Figuren stellen sich schnell ein. Gut und Böse lassen sich trotzdem nicht so schnell auseinander halten. Ganz nebenbei erfährt der Leser auf diese Weise um die politischen Zustände in der Türkei kurz vor dem ersten Weltkrieg. Für so manchen Leser mag sich ein „Aha“ einstellen. Das ist sehr gut vermitteltes Allgemeinwissen ohne einen weithin sichtbar erhobenen Zeigefinger. Leseempfehlung erster Güte!
 

Prange, Peter
Der letzte Harem
Droemer Verlag, München
ISBN 9783426196571

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016