Titus Müller © Hagen Henke

Titus Müller im Gespräch

Der Schriftsteller Titus Müller stand mir freundlicherweise Rede und Antwort. In meinem Interview mit ihm erzählt er von seinen Wurzeln, von den literarischen Höhen und Tiefen, von dem, was ihm das Schreiben gibt und auf was man achten wolle, wenn man ihm nacheifern möchte. Gerade ist »Das zweite Geheimnis«, der zweite Band einer Trilogie über die Geheimdienste im damals geteilten Deutschland, erfolgreich erschienen.

In der Literaturlandschaft bist du nicht unbekannt. In der Autorenszene und bei Autorentreffen, wo wir uns kennengelernt haben, bist du seit vielen Jahren aktiv. Leserinnen und Leser lieben deine Bücher. Trotzdem wäre es interessant, wo deine Wurzeln sind. Wo kommst du her? Was hast du vor dem Schreiben gemacht?

Das ist ja das Verrückte – ich habe nie etwas anderes gemacht. Mit zwölf bekam ich eine Schreibmaschine und schrieb die ersten Abenteuergeschichten. Später gründete ich eine Literaturzeitschrift, die „Federwelt“. Und dann studierte ich Literatur und Geschichte und schrieb währenddessen die ersten Romane. Jeder Euro, den ich im Leben verdient habe, hat mit Büchern und dem Schreiben zu tun.

Titus M.

Wie bist du zum Schreiben gekommen? Gab es besondere Ereignisse, die dich auf den Weg zur Schriftstellerin gebracht haben?

Ich war eine Leseratte, schon als Kind. Ich glaube, ich bin über das Lesen zum Schreiben gekommen.

Titus M.

Titus Müller und seine Spionage-Trilogie

Der Heyne Verlag hat gerade den zweiten Band Deiner in der DDR angesiedelten Spionage-Trilogie herausgebracht. Du bist selbst noch in die DDR hineingeboren worden. Doch was war der zündende Punkt, der dich auf die Idee zu dieser Geschichte brachte?

Das zweite Geheimnis
Das zweite Geheimnis

Seit Jahren schon wollte ich über den Mauerbau schreiben. Im Verlag hatte man aber die Sorge, dass ja jeder schon weiß, wie die Geschichte ausging. Als ich endlich grünes Licht bekam, war es eine Trilogie geworden, von Mauerbau bis Mauerfall, als Spionagethriller erzählt. Die hat dann alle begeistert.

Ich habe 20 Jahre in Berlin gelebt, bis zum Mauerfall im Osten. Das hieß, ich habe die Mauer angeguckt und die Bewaffneten, die mich erschießen würden, wenn ich die Hand an die Mauer lege. Habe die Häuser auf der anderen Seite gesehen und gewusst, da leben auch Menschen, aber es ist unmöglich für mich, sie zu erreichen, sie sind weiter entfernt, als würden sie auf einem anderen Planeten wohnen. Manchmal kam uns unsere Tante aus dem Westen besuchen. Im Bahnhof Friedrichstraße gab es eine eiserne Tür ohne Klinke, durch die kam sie wie durch ein Himmelstor.

Dass mich deutsch-deutsche Geschichte fesselt, ist da verständlich, oder? Ich wollte wissen: Wie hat Erich Honecker es geschafft, am 13. August 1961 die Stadt Berlin in zwei Hälften zu teilen, ohne dass es vorher bekannt wurde? Er musste tonnenweise Stacheldraht und Betonpfeiler in die Stadt bringen lassen, und 20.000 Grenzpolizisten, Handwerker, Kampfgruppenmitglieder orchestrieren. Und die haben alle dichtgehalten? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Also habe ich die Geheimoperation “Rose” genauer studiert, und daraus wurde “Die fremde Spionin”. Im zweiten Band, “Das zweite Geheimnis”, widme ich mich der Guillaume-Affäre.

Titus M.

Hattest Du sofort eine Trilogie mit drei Geschichten im Kopf? Wie wuchsen aus der Ursprungsidee drei Geschichten, die in unterschiedlichen Jahrzehnten spielen?

Ich glaube, das hat sich der Verlag gewünscht. Und ich war glücklich, dass ich gleich drei Romane zu diesem spannenden Thema schreiben darf.

Titus M.

Über das Entstehen einer Trilogie

Wie aufwendig ist die Recherche zu solch einem Projekt? Konntest du auf die Erfahrungen in der Familie zurückgreifen? Schließlich wartest du mit winzigen Details auf, die nur noch ein „Insider“ kennt.

Die Recherchen dauern pro Roman etwa ein halbes Jahr. Und sie sind für mich selbst spannend! Natürlich frage ich in der Familie herum, aber ich lese auch viel und spreche mit Grenzsoldaten, DDR-Sportlerinnen, SED-Mitgliedern. Eine große Freude war für mich, dass Bodo Hechelhammer „Die fremde Spionin“ gelesen hat und mir seitdem Fragen zum Bundesnachrichtendienst beantwortet. Er ist der Chefhistoriker des BND und schreibt auch wunderbare Sachbücher zu Geheimdienstthemen.

Titus M.

Wann sind die facettenreichen Figuren entstanden, die ein vielfältiges Bild von den Bürgern in der ehemaligen DDR abgeben und welche es ja tatsächlich in ähnlicher Form gegeben hat?

Ich bin nicht besonders strukturiert, was die Figuren angeht. Manche Autorenkolleginnen schreiben ganze Stammbäume und arbeiten ihre Figuren detailliert aus, bevor sie einen Roman beginnen. Ich gucke da immer neidisch drauf. Aus irgendeinem Grund kann ich das nicht. Ist das Faulheit? Ich weiß es nicht. Ich denke über eine Figur nach, bis ich meine, ein Gefühl für sie zu haben, und lege los. Und irgendwann, auf Seite 50 oder Seite 100, fängt die Figur an, mit mir zu reden, und ich muss in den Dialogen nur noch „mitschreiben“.

Titus M.

Bei einem Roman sagt man, dass der Autor das Ende schon zu Beginn weiß. Wie verhält es sich bei einer Trilogie?

Ich schäme mich, das zu gestehen, aber ich hatte keinen blassen Schimmer von Band 2 und Band 3, als ich „Die fremde Spionin“ geschrieben habe. Wir haben einfach einen Klappentext erfunden und ihn in die Informationsportalen für Buchhändler gestellt, und später haben wir ihn wieder gelöscht, als „Das zweite Geheimnis“ entstanden war, und durch den richtigen Klappentext ersetzt. Ähnlich wird es mit dem 3. Band ablaufen.

Titus M.
DDR-Trilogie Titus Müller
DDR-Trilogie Titus Müller

Wann entwickelt sich der Schreibstil eines Projektes? Wann weißt du, welche Szenen oder Stränge aus der Sicht einer handelnden Figur in der ersten oder dritten Person erzählt werden müssen oder wann es besser ist einen ganz anderen Erzähler draufblicken zu lassen?

Ich-Erzähler setze ich nur sehr sparsam ein. Meiner Meinung nach sind sie für kürzere Texte besser geeignet als für einen 400-Seiten-Roman. Wobei es auch sehr gelungene dicke Romane mit Ich-Erzählern gibt, z.B. „Die älteste noch lebende Rebellenwitwe erzählt“ von Allan Gurganus.

Aber auch beim Erzählen in der dritten Person kann man feine Unterschiede machen: Welcher Figur bin ich ganz nah und schildere auch ihre Gedanken und Gefühle, und welche Figur begleite ich nur wie mit einer Kamera? Welche Figur hat viele innere Monologe, und welche bleibt etwas geheimnisvoller und handelt einfach, ohne dass man in sie hineinblicken kann? Das ist immer ein Abwägen und Ausprobieren, bis ich zufrieden bin.

Titus M.

Apropos Schreiben: Wie schreibst du? Per Hand oder am Computer? Wie fließen die Szenen auf das weiße Blatt Papier?

Ich schreibe mit dem Computer. Meine Sauklaue kann ich selber nicht mehr lesen nach ein paar Tagen.

Titus M.

Meinst du, die in manchen Kreisen gemachte Unterscheidung zwischen E- und U-Literatur hat auch noch heute Bestand? Ist sie sinnvoll?

Romane haben unterschiedliche Schwerpunkte, bei den einen ist es die Sprache, bei den anderen eher die Handlung. Und beides ist vollkommen in Ordnung! Toll ist natürlich eine Kombination von beidem, wie es z.B. Kazuo Ishiguro gelingt. Aber dass die Bücher unterschiedlich herausfordern beim Lesen, stört mich überhaupt nicht. Ich brauche auch beides, ich lese im Wechsel Leichteres und Anspruchsvolleres, je nach Laune.

Titus M.
Titus Müller © Hagen Henke
Titus Müller © Hagen Henke

Bedeuten diese „Pseudo-„Definitionen etwas für deine Arbeit? Hast du diese Begriffe im Kopf, wenn du schreibst?

Überhaupt nicht. Es gibt ja zum Glück auch keine Klassifikationen auf den Romancovern: Lesestufe 5, Lesestufe 3 … Ha! Man mag einfach eine Geschichte oder nicht. Und man findet ein Buch anstrengend oder nicht. Und manchmal möchte man auch etwas herausgefordert werden.

Titus M.

Du bist u. a. bekannt für historische Romane. Mit dieser Trilogie bist du nun weit an die Gegenwart herangerückt. Entwickelt sich dabei ein anderes kreatives Gefühl?

Die Recherchen sind aufwändiger, weil bis ins letzte Detail alles stimmen muss. Das geht vom Straßenbahnfahrplan bis zu den Gesprächsthemen beim Treffen von Breschnew mit Willy Brandt.

Aber das Schreiben an sich ist kaum anders.

Titus M.

Die Themen und Interessen von Titus Müller

Hast du ein Lieblingsgenre, in welchem du deine Geschichten ansiedelst oder ergibt sich dies aus dem Thema, welches gerade unter deinen Fingernägeln brennt?

Mich begeistern Themen. Wie sie im Verlag verpackt werden, ist dann erst der nächste Schritt. Bei der Spionin-Trilogie gab es zum Beispiel die Frage aus dem Vertrieb, wie stark der Thrilleranteil ist und wie stark der Familienanteil, da wurde wirklich drum gerungen, wie man das Buch verpackt, als es fertig war.

Titus M.
Der letzte Auftrag
Der letzte Auftrag

Es heißt, Schriftsteller müssen viel lesen, was man an deiner Rechercheliteratur gut nachvollziehen kann. Wenn du aber nur drei Bücher auf eine einsame Insel mitnehmen dürftest, welche Bücher wären das?

Eine schreckliche Vorstellung. Daran mag ich gar nicht denken! Nur drei Bücher? Und wie lange sitze ich fest? Wenn ich jetzt spontan entscheiden müsste, würde ich die Bibel mitnehmen, Iain Banks: „Bedenke Phlebas“ und die gesammelten Essays von David Foster Wallace.

Titus M.

Sicherlich geistern dir immer wieder irgendwelche Ideen oder Themen durch den Kopf. Welches Thema liegt dir vielleicht besonders am Herzen, das du irgendwann nochmal richtig angehen und zu einem Projekt möchtest?

Das verrate ich nicht! Aber neben historischen Themen grüble ich oft auch über Sciencefiction oder Near-Future-Fragen. Vielleicht wird daraus auch mal ein Roman.

Titus M.

Mittlerweile sind Veranstaltungen wieder möglich, in denen Autorinnen und Autoren ihre Romane vorstellen. Wo können die Fans dich in der nächsten Zeit persönlich treffen und ein Buch von dir signieren lassen?

Auf der Insel Rügen, in Hennef nahe Bonn, in Wilhelmshaven, Chemnitz, Limburg, Unna, Hamburg und etlichen anderen Orten. Die komplette Liste gibt es auf meiner Website www.titusmueller.de.

Titus M.

Vielen Dank für dieses Interview, Titus, und weiterhin viele interessante Themen und sehr viel Erfolg bei deren Umsetzung.

Ich danke dir! Du hast schöne Fragen gestellt. Viel Freude dir und deinen Followern mit dem Krimi und mehr Blog, Detlef, und weiter so beflügelnde Leseneugier.

Titus M.

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