Sturmopfer

»Sturmopfer« von Sam Lloyd

Sturmopfer« von Sam Lloyd ist ein weiterer Psychothriller dieses britischen Schriftstellers, der aus der Gegend (Devon, nördlich vom Dartmoor National Park) stammt und sich wohl tatsächlich mit dem stürmischen Meer an der Nordküste Südenglands auskennt.

Als ein großer Sturm angekündigt wird, ist Lucy nicht gerade glücklich darüber, denn sie weiß, dass ihr Ehemann Daniel heute mit dem Schiff aufs Meer hinausgefahren ist. Sie sorgt sich um ihn. Er geht nichts ans Handy und hat nirgends eine Nachricht hinterlassen, was er da draußen möchte und wann er wieder zurück kommen will.

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An der Küste von Devon ( © diego_torres/pixabay.com)

Als Lucy ihren Sohn Fin aus der Schule abholen will, erfährt sie, dass Daniel den Siebenjährigen bereits am Vormittag aus der Schule holte, weil er angeblich einen Zahnarzttermin hatte. Bei dem Versuch, die 18jährige Tochter Billie darüber zu informieren, dass Daniel als auch Fin offenbar aus See sind, stellt sie erschreckenderweise fest, dass auch Billie nicht an ihr Telefon geht. Lucy sorgt dafür, dass alle Freunde der Tochter nach ihr suchen, und später auch, dass auf dem Meer nach allen Dreien gesucht wird

Sturmopfer – alles nur Opfer?

Sam Lloyd baut die Spannung über mehrere Ebenen auf. Da ist zunächst Lucy, die mit dem Verschwinden ihrer Familie klarkommen muss. Doch mit jederweiteren Seite erfahren wir mehr über sie und ihr Leben. Nicht zuletzt auch durch in Gedanken eingepackte Rückblenden. Das Geschehen in der Vergangenheit scheint immer mehr an Bedeutung zu gewinnen.

Eine weitere Spannungsebene sind die Ermittlungen um das Geschehen. Wie ist es zum Verschwinden der Familie gekommen? Detective Inspector Abraham Rose leitet diese Ermittlungen. Er hat dabei schwer mit seinen Gefühlen zu kämpfen, besonders nachdem er ein Video mit dem kleinen Sohn gesehen hat.

Abraham ist sowieso eine äußerst interessante Figur in dieser Geschichte. Er ist stark religiös. Seine Mutter hatte einen großen Einfluss diesbezüglich auf ihn und er hat sogar auf Freundinnen verzichtet, wenn seine Mutter sie nicht mochte. Das Verschwinden von Daniel und den beiden Kindern betrachtet Abraham immer vor seinem religiösen Hintergrund. Diesbezügliche Zitate aus religiösen Texten oder der Bibel machen es immer wieder deutlich.

Außerdem ist Abraham krank, schwer krank. Die Ermittlungen führt er unter starken Schmerzen durch und es stellt sich immer die Frage, ob er sie auch bis zum Ende schafft. Deshalb agiert er sehr nachdenklich, hört oft in sich hinein.

Sam Lloyd spielt mit der Psyche der Figuren

Zwar weiß man bei diesem Roman sofort, quasi auf der ersten Seite, dass etwas Schlimmes passiert ist, aber bis einem dann die gesamte Dimension aufgeht, dauert es doch ein kleines Weilchen. Man lässt sich treiben und ergreift Partei, um dann mit der Zeit vielleicht eines Besseren belehrt zu werden. Aber Sam Lloyd nimmt die Leser mit auf seiner Psychoreise durch die Figurenlandschaft seines Romans.

Aber ein ganz besonderes Highlight ist am Ende der actionreiche Showdown. Achtung Spoileralarm: Wenn man glaubt, der ganze Psychodreck wird letztendlich in Verhören oder Gesprächen aufgelöst, der irrt sich gewaltig. Dramaturgisch ist dies von Sam Lloyd perfekt in Szene gesetzt. I like it.

Detaillierte Landschaftsbeschreibungen und nahezu minutiöse Abläufe des Sturms von ein weiteres Merkmal des Schreibstils dieses Schriftstellers. Ich habe mich auf meinen Besuchen in Südengland wiedergefunden und vielleicht durch dieses Buch neue Ziele gefunden, die es sich lohnt, zu besuchen.

Mir hat dieser Roman viel Spaß gemacht und sehr gut unterhalten. Die Irreführung hat mich auf eine Reise mitgenommen, die nicht nur in die Psyche, sondern auch nach Südengland führt. Ein kleiner britischer Touch, wie ich ihn mag.

Sam Lloyd
Sturmopfer
Aus dem Englischen von Katharina Naumann
Rowohlt, Hamburg
ISBN 9783499008221

Rezension von:
© Detlef Knut, Düsseldorf 2022
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