Christoph Peters: Der Arm des Kraken

In einem Park in Berlin-Prenzlauer Berg wird ein Japaner tot aufgefunden. Dieser Japaner bewegt sich in der Szene der Vietnamesen. Deshalb wird schnell an einem Mord im Drogenmilieu gedacht, manchmal aber auch an die von Ausländerhass geprägten NSU-Morde. Die Hauptkommissarin Annegret Bartsch aus dem Vietnamesendezernat hat seit über zehn Jahren kein Mord mehr aufgeklärt, wie wird aber dennoch in die „SOKO Merzmorde“ gerufen, weil sie über viel Insiderwissen verfügt. Parallel zu den Ermittlungen macht sich ein anderer Japaner auf den Weg, dem toten Landsmann und – wie sich herausstellt – Kollegen bei den Yakuza (japanische Mafia) hinterherzuspüren. Denn es schien, als wollte der an der Organisation vorbei einige Geschäfte abwickeln. Für den Leser steht die Frage im Raum, ob dieser Japaner auch für den Tod seines Kollegen verantwortlich war. An dieser Stelle ist schnell zu erkennen, dass der Spannungsbogen dieses Romans nicht entlang der kriminellen Linie gezogen wird.

Dieser Roman spaltet mich und leider kann ich ihn nicht uneingeschränkt empfehlen. Die durchweg gut ausgedachte Geschichte scheint sehr viel versprechend und weckt gewisse Erwartungen. Meine jedoch wurden nicht erfüllt. Da ist zunächst einmal der Satzbau des Autors. Zehn bis zwölf Seiten in einem einzigen Satz zu absolvieren, ist eine dumme Spielerei, die mich als Leser verärgert. Es zeugt von wenig Respekt dem Leser gegenüber, der in diesen Abschnitten vergeblich nach Ruhepunkten für das Auge sucht. Schließlich sind mir die Figuren zu oberflächlich. Sie erhalten keinen Tiefgang. Man findet sie weder abstoßend noch sympathisch. Sie mögen ungewöhnlich sein und die Regel beherzigen das der Bösewicht nicht immer nur böse und der Gutmensch nicht immer nur gut ist. Aber zum Beispiel die Kommissarin als Hauptfigur, aus ihrer Sicht jedes zweite Kapitel ohne Punkt und Absatz verfasst, labert soviel an der Oberfläche herum, was nichts mit den Verbrechen zu tun hat, dass ich diese Monologe mit einem über Blättern quittiert habe. Die zweite Hauptfigur, der Killer, könnte eine richtig anspruchsvolle Figur sein. Sie tapst hier durch so viele Märkte und Läden, von denen der Inhalt jedes einzelne Regals beschrieben wird, dass man sich nur wundert, wie weltfremd wohl die Japaner in den Augen des Autors sein müssen. Ich habe eingangs nicht umsonst erwähnt, dass ich die Idee zu dieser Geschichte toll finde. Dazu gehört auch, dass aus den zwei verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Einmal aus der Sicht der Polizistin, die in der ersten Person erzählt, zum anderen aus der Sicht einer dritten (auktorialen) Person, die das Geschehen um den Killer beschreibt. Die Kapitel wechseln sich mit dieser Erzählweise ab und deshalb ist es auch kein Spoiler, wenn ich hiervon spreche. Ab dem zweiten Kapitel folgt der Leser dem Killer unmittelbar und erlebt alles hautnah mit. Das besonders Schöne daran ist, dass der Leser immer den Ermittlern einen Schritt voraus ist. Das was die Hauptkommissarin erzählt, weiß der Leser bereits aus der Handlung des Killers (auch ein Grund, warum man die Kapitel der Polizistin überblättern kann).

Der besondere Reiz dieses Romans liegt also nicht darin, den Täter zu ermitteln. Vielmehr liegt die Spannung darin, ob und wie der Killer geschnappt wird. Oder anders ausgedrückt: ob er seinen Auftrag erfüllen kann und der Polizei nicht in die Fänge geht. Wäre das Buch vernünftig gesetzt und hätte viel weniger Ladenregale und Gelaber, so könnte ich es mit höchsten Tönen empfehlen. So bleibt mir nur eine Empfehlung für den experimentierfreudigen Leser.

Peters, Christoph
Der Arm der Krake
Luchterhand Literaturverlag
ISBN 9783630873206

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015

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Martha Grimes: Die Frau im Pelzmantel

Martha Grimes gehört seit vielen, vielen Jahren zu einer der großen Kriminalschriftstellerinnen aus den USA. Ihre Romane allerdings spielen häufig in England. So auch der vorliegende Fall für Inspector Jury.

Während eines düsteren Novemberabends sitzt Inspector Jury in einem Londoner Doppeldeckerbus und erblickt eine ungewöhnlich attraktive blonde Frau. Diese Frau ist elegant in einen Pelzmantel gekleidet und wird von einem Hauch Parfüm umgeben. Selbst für den Inspektor ist sie eine auffällige Erscheinung. Doch an einem Eingang zu einem der dunklen Parks in London verliert er die Frau aus den Augen. Am nächsten Tag wird die Leiche einer wunderschönen Frau in einem Pelzmantel entdeckt. Zwar identifiziert Jury diese Frau als diejenige, die er am Abend zuvor beobachtet hatte, aber es dauert nicht lange, bis ihm Zweifel daran kommen, dass es sich tatsächlich um dieselbe Frau handelt. Noch dazu, als er die vermeintlich Tote später erneut trifft. Sie bestreitet vehement, an besagtem Abend an dem Park gewesen zu sein. Seine Ermittlungen führen Jury aufgrund des Pelzmantels in die Umgebung einer Galeristenfamilie. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an welchem er seinen Freund Melrose Plant, einen feinsinnigen Kunstkenner, in die Ermittlungen einbeziehen möchte. Die beiden Freunde haben einen ihrer schwierigsten Kriminalfälle zu lösen.

Bei diesem Kriminalroman handelt es sich um einen gemächlichen, humorvollen und spannenden Kriminalroman. Er ist in etwa eine Mischung aus Inspector Linley und Inspector Barnaby. Während Jury in London lebt und arbeitet, kommt sein Freund Melrose aus einem kleinen Dorf in der Nähe. In einem langen, aber unterhaltsamen, parallelen Erzählstrang werden dieses Dorf und Melrose detailliert eingeführt. Absolut nicht langweilig, obwohl sich der Leser dennoch manches mal fragen kann: Was hat das Ganze mit der Leiche in London zu tun? Doch besonders dieser Teil und Melrose haben große Ähnlichkeit mit dem aus dem Fernsehen bekannten Inspector Barnaby. Es fasziniert die komplette dörfliche Idylle, in der das gesamte Geschehen des Dorfes abgebildet wird, die Streitigkeiten der Dorfbewohner untereinander, die diesen Teil sehr humorvoll gestalten. Schrullige Dorfbewohner, die sich gerne streiten und sich auch auf die Schippe nehmen, sind für diese Atmosphäre zuständig. Parallel dazu ermittelt der Polizist, um den Täter für die Leiche zu finden und herauszufinden, was es mit der Doppelgängerin auf sich hat. Falls es eine solche ist. Als Jury dann seinen Freund nach London gerufen hat, beginnt dieser, in der Galeristenfamilie zu ermitteln. Das macht er sozusagen verdeckt, denn offen gibt er nicht zu erkennen, dass er für seinen Polizistenfreund arbeitet. Aber je weiter er in die Geheimnisse dieser Familie eintaucht, umso verworrener scheint der ganze Fall zu werden.

Bereits oben habe ich von einem gemächlichen Krimi gesprochen, was darauf hinweist, dass es kein besonders action-reicher und schnell geschnittener Kriminalroman ist. Er folgt eher der Tradition einer Agatha Christie, der mit einer detailgenauen Beschreibung versucht, den Leser auf die falsche Fährte zu locken. Die dargestellte Szenerie entspricht durchaus dem englischen Landleben und es ist gut vorstellbar, dass sich die Autorin viel Zeit bei ihren Recherchen genommen hat, um solch ein kleines Dorf im Süden Englands unter die Lupe zu nehmen. Der Roman bietet gute Unterhaltung mit einem sehr guten Rätselformat.


       
Grimes, Martha
Die Frau im Pelzmantel
Aus dem Amerikanischen von Cornelia C. Walter
Goldmann Verlag
ISBN 9783442450091
© Detlef Knut, Düsseldorf 2015

 

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