Der Roman »Diese gottverdammten Träume« von Richard Russo beschreibt das Leben in einer Kleinstadt im Osten der USA, im Bundesstaat Maine. Es ist ein Mikrokosmos, der mit vielen Figuren angefüttert ist, wie sie in einer solch kleinen Stadt vorkommen.
»Diese gottverdammten Träume« in Empire Falls, Maine
In einer solch kleinen Stadt ist meist auch ein Pub der Dreh- und Angelpunkt zum Leben in diesem Ort. Hier gibt es Neuigkeiten, hier erfährt man, was los ist. Empire Falls ist solch eine kleine Stadt. Sie wurde im wesentlichen von einer Familie aufgebaut. Und die beinahe letzte Person, Mrs Whiting, besitzt immer noch die meisten Immobilien, sorgt für die meisten Arbeitsplätze, sponsert das gesellschaftliche Leben.
Ihr gehört auch der Empire Grill an der Empire Avenue. Zwar ist dies kein Pub, aber dieses Grillrestaurant ist das kulturelle Zentrum in der Stadt. Als Geschäftsführer ist Miles Roby hier tätig, der durchaus noch weiteres vorhat, denn er strebt eine Lizenz zum Alkoholausschank an. Miles Mutter hat jahrelang in der Textilfabrik der Whitings geschuftet. Als das nicht mehr ging, wurde sie die Haushälterin von Mrs Whiting. Diesem Zusammenspiel hat Miles wohl auch seinen Job zu verdanken. Gerne erinnert ihn sein Mitarbeiter auch daran, dass Mrs Whiting eine geborene Robydeaux ist und von irgendwoher muss ja auch der Nachname Roby kommen. Will heißen, Miles wäre bestimmt mit Mrs Whiting verwandt. Doch der will davon nichts wissen.
Im Empire Grill treffen die unterschiedlichsten Figuren aufeinander. Neben dem Geschäftsführer sind es die Angestellten, der Sheriff und die Cops, die Angehörigen dieser Leute, Ehefrauen, Töchter, Söhne, Verwandte und Freunde.
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Richard Russo beschreibt in »Diese gottverdammten Träume« diesen Mikrokosmos genüsslich in so vielen Details und auf so angenehme Weise, dass man das Gefühl hat, mittendrin zu sein und den Großteil dieser Menschen zu kennen. Zumindest kennt jeder Leser in seinem Bekanntenkreis Leute, die ganz ähnlich ticken wie die Figuren in diesem Roman und ähnliche Eigenschaften aufweisen. Für mich immer wieder verblüffend, dass die nationale Herkunft dabei keine Rolle spielt. Überall auf der Welt verhalten sich Menschen in gleicher Weise.
Nacheinander, Schritt für Schritt, werden die wichtigen Leute beschrieben, die den Ort aufgebaut haben und jetzt immer noch das Sagen haben bzw. deren verbliebenen Erben.
Das geschieht teils in Rückblenden oder aus den Gedanken einzelner Figuren heraus. So schildert Russo die Lebensgeschichten anderer Figuren einfühlsam, nicht ohne Humor und durchaus unterhaltsam. Gleichzeitig lernt man die ursprüngliche Figur, in der die Gedanken über eine andere Figur herumschwirren, nur noch umso besser kennen.
Die Frage nach dem „Was kommt am Ende bei diesem Roman heraus?“ ergibt sich vordergründig in »Diese gottverdammten Träume« nicht. Jedoch beim Lesen und Kennenlernen der kleinen Stadt, die einst offenbar größer war und in der sich Tragödien abgespielt haben müssen erfährt man viel über die Menschen. Was wird aus ihnen? Was wird aus der Stadt, wenn die Fabriken woanders hingezogen sind? Wer ist für so manchen Unfall verantwortlich?
Es sind viele kleine einzelne Geschichten und Schicksale, die der Autor hier in einem großen Roman zusammengerührt hat. Und so mancher Einwohner von Empire Falls hat noch große Wünsche für sein Leben. Doch es sind vielleicht alles nur gottverdammte Träume.
Hier habe ich mal Zitat solch einer unterhaltsamen Belanglosigkeit (Miles unterhält sich mit seinem Vater Max, der mit dem alten Pastor des Ortes eine Spritztour gemacht hatte.) herausgesucht, aus der der Roman gestrickt wurde:
»Ich habe keinen Cent von ihm genommen.«
»Nein, du lässt ihn einfach nur für alles bezahlen, stimmt’s?«
Das leugnete Max nicht.
Miles massierte sich die Schläfen. Dass die beiden alten Knacker es bis nach Florida geschafft hatten, war allerdings erstaunlich. Wie war es ihnen gelungen, auf der ganzen Strecke nach Key West hinunter nicht von der Autobahnpolizei erspäht zu werden, die dazu angehalten worden war, nach einem violetten Crown Victoria mit zwei alten Männern darin Ausschau zu halten, die aussahen, als wären sie aus dem Irrenhaus entlaufen?
»Ist der Wagen noch heil?«
Mit »Diese gottverdammten Träume« können sich Leser in die Welt einer amerikanischen Kleinstadt hineinversetzen und feststellen, dass die Menschen dort genau solche Gedanken und Probleme wie in Deutschland oder jeden anderen Flecken der Erde habe. Deshalb kann ich diesen Roman nur empfehlen.
Richard Russo
Diese gottverdammten Träume
Aus dem Amerikanischen von Monika Köpfer
Dumont
ISBN 9783832164355
© Detlef Knut, Düsseldorf 2025
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