Zombies: Dumpfe, hirnlose Monster, getrieben von einem unstillbaren Hunger – seit langem faszinieren sie mich, egal ob auf der Kinoleinwand oder zwischen Buchdeckeln. Mal sind es die klassischen, schlurfenden Untoten, mal moderne Varianten, aber immer steht eine Frage im Raum: Wie reagieren wir Menschen, wenn die Welt in Trümmern liegt? Genau diese Frage stellt die Zombie-Zone- Germany-Reihe aus dem Amrûn Verlag in den Mittelpunkt – und das mit einer Intensität, die mich von Anfang an begeistert hat.
Was diese Reihe für mich so besonders macht , ist der unverwechselbare deutsche Lokalkolorit, den jede Novelle und Kurzgeschichte mitbringt. Hier werden nicht einfach nur Zombies auf die Straßen geschickt – es geht um die Menschen, um ihre Ängste, Hoffnungen und die kleinen Funken der Solidarität, die selbst im Angesicht der Apokalypse aufglimmen. Die Geschichten sind unabhängig voneinander lesbar, doch sie alle eint die düstere, authentische Atmosphäre eines Deutschlands, das von hohen Betonmauern umgeben und von Verzweiflung, aber auch Überlebenswillen geprägt ist.
Simona Turinis „Welt in Trümmern“ ist ein Blick in die Abgründe der Überlebenden
Die Autorin verlegt die Handlung ihrer Novelle einige Jahre nach dem Ausbruch der Zombie-Apokalypse. In diesem düsteren Setting begegnen wir “ Molly“ Hanke , einem ehemaligen Kirmesboxer, der sich nun als Bordellbesitzer durchschlägt – wobei seine Mitarbeiterinnen „nicht mehr immer ganz frisch“ sind, um es vorsichtig auszudrücken.
Molly hat sich mit Johann „Jessy“ Schulz , dem letzten großen Frankfurter Gangsterboss, einen mächtigen Feind gemacht. Jessy ist auf Rache aus, und so bleibt Molly nur die Flucht. Gemeinsam mit Sandrine, einer seiner cleveren Mitarbeiterinnen, versucht er zunächst, sich irgendwo in Frankfurt zu verstecken. Doch die Angst vor Jessy ist so groß, dass ihnen überall die Türen verschlossen bleiben.
Schließlich bleibt nur die Hoffnung auf einen Neuanfang: An der belgischen Grenze, so heißt es, gibt es ein Moor, durch das man die Grenze nach Belgien überqueren kann – dort hin haben sich zwei von Mollys Freunden bereits aufgemacht, um sich ein neues Leben aufzubauen. Ohne Sandrine, die sich in der Natur etwas auskennt und klug agiert, wäre Molly, der sich als großmäuliger Versager entpuppt, allerdings nie so weit gekommen.
Unterwegs treffen sie auf Kerstin und ihren kleinen Sohn Carlo , die sich auf einem gut verbarrikadierten Hof durchschlagen. Kerstin tut alles, um ihr Kind zu schützen und zu ernähren – auch wenn das bedeutet, moralische Grenzen zu überschreiten. Kurz nach diesem Treffen zeigt sich Mollys widerwärtiges Macho-Gehabe besonders deutlich in einer Szene in Kerstins Küche, wo er mit protziger Attitüde die Führung an sich reißt – ein abstoßendes Beispiel dafür, wie patriarchale Dominanzfantasien selbst in der Apokalypse fortbestehen.
Turini scheut sich nicht, ihren Leserinnen und Lesern auch mal widerwärtige Bilder in den Kopf zu setzen – aber das gehört zu einer Zombiegeschichte manchmal eben dazu. Sie zeigt aber auch, was die Menschen antreibt: Jessy etwa wird aus Liebe zu seinem Sohn zum erbarmungslosen Rächer. Während sich manche Kunden vollkommen verroht mit Zombie-Prostituierten vergnügen, kämpfen andere für deren Rechte – beides Auswüchse einer entgleisten Realität, die mir gleichermaßen unbegreiflich erscheinen. Wer beim Lesen ein gutes Vorstellungsvermögen hat, sollte Kekse und Schokolade bei der Lektüre vielleicht besser weglassen, denn Turini zieht die düster-skurrile Linie konsequent durch, auch auf Kerstins Hof kommt es zu sehr speziellen Szenen.
Fazit
Simona Turini gelingt es, mit „Welt in Trümmern“ die Abgründe der Überlebenden in der Zombie Zone Germany gnadenlos offenzulegen. Ihre Figuren sind alles andere als Helden – oft unsympathisch, getrieben von Angst, Überlebenswillen und manchmal auch purer Verzweiflung. Besonders eindrücklich entlarvt sie, wie selbst in der anarchischen Endzeit männliche Protagonisten wie Molly an überholten Machtbildern festklammern – ein Kontrapunkt zu den weiblichen Figuren, die durch Pragmatismus und Empathie das eigentliche Rückgrat der Überlebensgemeinschaften bilden. Wer die Reihe kennt, weiß: Hier wird nichts beschönigt, aber gerade das macht den Reiz aus. Ein weiterer starker Beitrag zur wohl spannendsten deutschen Zombie-Anthologie!
Und warum ich nun unbedingt wissen will was Faye Hell und Simona Turini mit einem Einkaufswagen zu tun haben, erfahrt ihr, wenn ihr das tolle Vorwort von Faye Hell lest. Und Popcorn will ich nun auch.
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Simona Turini
Welt in Trümmern
Amrun
ISBN: 9783958694323
© Manuela Hahn – Lesenswertes aus dem Bücherhaus, 2025
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