Waldeskälte

„Waldeskälte“ von Martin Krüger

Gerade aus einem Alptraum erwacht in „Waldeskälte“, bekommt Leutnant Valeria Ravelli, 35, einen Anruf ihres alten Jugendfreundes Elias Mattei. Seine Nichte Nora, 14, ist in ihrem Heimatdorf Eigerstal in den Schweizer Alpen verschwunden. Seit drei Tagen. Genau wie vor 21 Jahren Valeria und ihre beiden Freundinnen Stephanie und Sophie. Valeria verspricht Elias ihre Hilfe. Damit begibt sie sich auch auf die Suche nach ihrer eigenen Vergangenheit und stellt sich den Dämonen, die sie auch heute immer noch heimsuchen.

Absolut lesenswert!

Zusammen mit dem örtlichen Ermittler Remo Birkner und Chloe Muston, die sie schon von ihrem eigenen Fall her kennt, tut sie alles, um sich von ihrem Alptraum zu befreien und vor allem um Nora zu finden.

Das Cover, düster mit dunklen Wolken und durch den Nebel undurchdringlich, suggeriert, dass es hier spannend und vielleicht ein bisserl mystisch wird. Und das Cover hält, was es verspricht.

Ich hatte Gänsehaut bei „Waldeskälte“, wenn Valeria von „damals“ träumt und sich nach und nach immer mehr kleine Details aus ihren Träumen heraus kristallisieren. Dass sie sich sicher ist, dass das Damals auch mit dem Heute zusammenhängt, macht die Suche nach der 14-jährigen Nora von Anfang an sehr spannend und aufregend.

Ich mag die trotz oder gerade wegen ihrer Vorgeschichte so selbstsichere Valeria sehr gerne. Vor allem, weil doch hier und da auch ihre sehr verletzliche Seite zutage tritt, was sie, die taffe Interpol-Ermittlerin, dadurch sehr menschlich und nahbar macht. Ihre Gedanken, Ängste und Rückblicke in die Zeit von vor 21 Jahren, die hier kursiv dargestellt werden, scheint sie immer noch nicht ganz verarbeitet zu haben. Hier in der alten Heimat treten sie nochmal verstärkt auf.

Wortgewaltige und bildhafte Beschreibungen

Martin Krüger zieht mich mit seinen wortgewaltigen und bildhaften Beschreibungen direkt hinein in die Düsternis und Abgeschiedenheit von Eigerstal am Gotthard. Die Kälte, die Landschaft grau und unwirtlich mit Schneetreiben und viel Wasser in tiefen Gräben, felsiger Landschaft und Höhlen. Dazu rundherum teils undurchdringlicher Wald, der an manchen Stellen etwas mystisches hat. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie die Menschen hier leben können bzw. wollen.

Zu den wortkargen, in sich gekehrten Bewohnern des Ortes bekomme ich als Leser kaum Zugang. Ich finde die Menschen mit ihren Eigenheiten hier sehr gut beschrieben. Musste aber beim Lesen feststellen, dass ich mich von dem ein oder anderen habe täuschen lassen. Irgendwie kann ich mir beim Lesen jeden als Täter vorstellen und das hat für mich beim Lesen etwas Verstörendes. Und es ist auch für die Ermittler nicht leicht, bis sie jedes kleinste Puzzleteilchen an seinen Platz gerückt haben und so der Auflösung immer näher kommen. Ich bewundere Valeria, wie sie sich trotz ihrer Dämonen, denen sie sich hier stellen muss, akribisch immer wieder auf ihre Aufgabe konzentriert.

Die Spannung nimmt immer mehr zu, je weiter die Zeit fortschreitet und ich mit bange, ob es Valeria gelingen wird, Nora noch lebend zu finden.

Das Ende ist sehr dramatisch, löst aber alle Verstrickungen auf und alle Fäden verbinden sich zu einem schlüssigen Ganzen. Vorhergesehen habe ich es so allerdings nicht.

Mich hat der Sog, den die Geschichte „Waldeskälte“ entwickelt, richtig mitgezogen. Martin Krüger beweist mit seinem sehr dynamischen Psychothriller auch, dass nicht unbedingt viel Blut fließen muss um Spannung und Atmosphäre zu erreichen.

Von mir bekommt das Buch eine absolute Leseempfehlung.

Martin Krüger
Waldeskälte
HarperCollins
ISBN 9783749901524

Rezension von
© Gaby Hochrainer, München 2021
Der Beitrag enthält Affiliate-Verknüpfungen.
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