Robert B. Parker: Verfolgt in Paradise

Ein weiterer Fall für Jesse Stone, dem Polizeichef von Paradise, einem kleinen Örtchen an der Ostküste, welches sich gerade mal zwölf Polizisten leisten kann. Jesse, der in den Verfilmungen von Tom Selleck gespielt wird, hat es dieses Mal nicht mit Mord und Totschlag zu tun. Seine Probleme sind zunächst die eines Provinzstädtchens. Eine Schulleiterin, die den kleinen Mädchen vor der Klasse unter die Röcke schaut. Angeblich weil sie will, dass die Mädchen darunter gesittet aussehen und sich nicht auf den Weg von Schlampen verirren. Parallel dazu werden Jesses Leute auf einen Spanner aufmerksam, der zunächst nur die Frauen bei Nacht durch deren Wohnungsfenster beobachtet und sich Nachtfalke nennt. Doch dann geht der Spanner auch noch weiter.

Der Roman lebt von den Dialogen. Es wird sehr viel geredet. Dabei fließen viele Anekdoten und Begebenheiten der vorhergehenden Romane ein. Das gibt dem Leser, der die vorhergehenden kennt (was aber kein Muss ist), das Gefühl, heimisch in einer Familie oder bei guten alten Bekannten zu sein. Die häufigsten Gesprächspartner sind die beiden Mitarbeiter Molly und Suit. Das Frotzeln untereinander nimmt kein Ende. Aber Jesse unterhält sich auch wieder mit seinem Psychiater Dix. In gewohnter Weise längt Jesse von seinem Alkohol- und Frauenproblem ab und benutzt Dix für seine aktuellen Ermittlungen. Die Art und Weise der Dialoge treibt dem Leser das Schmunzeln ins Gesicht.

Die deutsche Übersetzung steht dem Humor und der Ironie des Protagonisten in Nichts nach, wenn man davon absieht, dass Molly anfangs Kommissar und später Inspektor ist. Hier hätte wahrscheinlich der amerikanische Dienstgrad vollkommen ausgereicht.

Wie bereits erwähnt, ist es nicht notwendig, alle vorherigen Jesse-Stone-Romane zu kennen. In kurzen Absätzen und Stichworten wird alles Wichtige erwähnt und der Leser ist voll im Bilde. So erfährt er von dem Rauswurf Jesses bei der LAPD genauso wie von dessen Ex-Frau Jenny und einigen weiteren Liebschaften.

Die extrem knappen Beschreibungen und die ausgiebigen Wortwechsel schaffen ein Bild von der amerikanischen Kleinstadt  und dem pulsierenden Leben auf dem Polizeirevier, welches fesselt. Dass es dabei um kei9ne großen Mordsachen geht, dass Jesse dieses Mal ohne SEK und Schießen aus der Hüfte auskommt, stört gar nicht. Man liest die Gespräche, hört sie im inneren Ohr und hat das Gefühl, mitten unter den Figuren dabei zu sein und mitreden zu können.

Jesse Stone, ein Sympathiebolzen, von dem man gelesen haben muss.

weitere Besprechungen in diesem Blog:

Das dunkle Paradies

Eiskalt

Der Killer kehrt zurück

Tod im Hafen

Mord im Showbiz

Terror auf Stiles Island

Die Tote in Paradise

Parker, Robert B.
Verfolgt in Paradise
Aus dem Amerikanischen von Bernd Gockel
Pendragon Verlag, Bielfeld
ISBN 9783865325259

© Detlef Knut, Düsseldorf 2016

Donna Leon: In Sachen Signora Brunetti

In diesem Jahr hat der Sommer endlich Deutschland erreicht und ich dachte mir, bei diesen sommerlichen Temperaturen, müsste ein Donna- Leon-Roman zum Wetter passen. Und richtig warְ’s.

Es beginnt mit dem Klingeln des Telefons am frühen Morgen. Brunetti wird nicht zum ersten Mal aus dem Schlaf geholt, wenn es um dienstliche Belange geht. Doch diesmal scheint ihm der Grund des Anrufers aus dem Präsidium etwas übertrieben: Es ist ein Akt von Vandalismus verübt worden. In einem Reisebüro wurden die Scheiben eingeworfen. Doch bevor sich Commissario Brunetti über diese Lappalie von nächtlicher Ruhestörung aufregen kann, muss er feststellen, dass der Täter kein kleiner Ganove ist. Sein Kollege aus dem Präsidium eröffnet ihm, dass es sich um eine Täterin, und zwar Signora Brunetti, handelt. Der Kommissar ist sprachlos. Auch ahnt er noch nicht, dass dies zu einem ausgewachsenen Konflikt mit seiner Frau werden kann. Doch sie hat für sich handfeste Gründe, die im Sextourismus begründet sind, warum sie das Reisebüro attackiert hat. Brunetti denkt im ersten Moment an den Skandal, den seine Frau damit hervorrufen kann und an seine Karriere, die damit wohl bei der Polizei beendet sein wird. Doch dann passiert etwas ganz Unvorhergesehenes: Der Inhaber des Reisebüros wird tot aufgefunden, der Mörder hat einen Bekennerbrief hinterlassen, in dem er sich gegen Pädophilie ausspricht. Für Signora Brunetti wird es eng.

In gewohnter Weise führt die amerikanische Schriftstellerin Donna Leon, die in Italien lebt, die Leser durch ihr Venedig. Neben dem Rätsel, welches es aufzuklären hilft, gestaltet sie die Familiengeschichte von Paula und Guido Brunetti und deren Kinder in geschickter Weise weiter. Der venezianische Kosmos um die Questura spart auch nicht die Konflikte aus, die Brunetti mit seinen Kollegen auszufechten hat, als da wären Scarpa oder sein Chef Vice-Questore Patta. Hilfe bekommt Brunetti von seinem Partner Sergente Vianello und von der liebreizenden Sekretärin des Vice-Questore, Signorina Elettra. Die Welt des Commissarion Brgunetti ist eine in sich abgeschlossene Welt, in denen immer wieder neue Figuren einbrechen und Unruhe stiften.

Donna Leon schafft es hervorragend, eine spannende Unterhaltungslektüre kreiren, die man sehr gerne gelegentlich zum Ausgleich in die Hand nimmt.

       
Leon, Donna
In Sachen Signora Brunetti
Aus dem Amerikanischen von Monika Elwenspoek
Diogenes Verlag
ISBN 9783257233117
© Detlef Knut, Düsseldorf 2015
Wintersturm

Mary Higgins Clark: Wintersturm

Nancy Eldridge lebt seit sieben Jahren an der Ostküste der USA gegenüber von Cape Cod. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder, doch ob sie glücklich ist, ist nicht so leicht einzuschätzen. Denn dem Leser wird unmissverständlich klargemacht, dass Nancy hier an die Ostküste gezogen ist, weil sie vor sieben Jahren zwei Kinder verloren hat. Es war genau an ihrem Geburtstag, als ihre beiden Kinder spurlos verschwanden. Erst Wochen später wurden die Leichen aufgefunden und Nancy wurde in einem aufsehenerregenden Prozess des Mordes an ihren Kindern für schuldig gesprochen. Ihre Unschuldbeteuerungen hatte ihr keiner geglaubt. Dennoch kommt sie frei. Ein simpler Verfahrensfehler ist Grund dafür, dass sie auf freien Fuß gesetzt werden muss. Ihr Prozess hatte in den Medien hohe Wellen geschlagen. So verwundert es nicht, dass sie es nach diesem Prozess an der Westküste der USA nicht mehr aushält. Sie glaubt, mit ihrem Umzug an die Atlantikküste auch ihre Vergangenheit weit hinter sich lassen zu können. Da passiert an einem trüben Novembermorgen der schlimmste Albtraum für sie. Während Nancy oben im Haus die Betten macht, spielen die Kinder draußen im Garten. Als sie sie nach einer Viertelstunde hereinholen will, findet sie nur noch den Handschuh der kleinen Missy. Es scheint alles wieder von vorne zu beginnen.
Es beginnt das perverse Spiel eines Psychopathen, der die Kinder entführt hat und Nancy dafür büßen lassen möchte. Es scheint alles genauso abzulaufen wie vor sieben Jahren. Auch dieses Mal ist die Polizei der Ansicht, dass die Mutter ihre Kinder getötet hat. Hatte bislang keiner in diesem Örtchen gewusst um die Vergangenheit von Nancy, so wird diese jetzt schnell entdeckt. Die Leute reden über sie. Doch es gibt ganz wenige Menschen, die ihr nach wie vor zur Seite stehen.
In mehreren Parallelsträngen wird von den Ermittlungen genauso erzählt wie von den Machenschaften des Täters. Da zumindest der Leser jetzt weiß, dass Nancy dieses Mal nicht ihre Kinder entführt hat, mag er etwas Verständnis dafür aufbringen, dass sie vor sieben Jahren wohl recht gehabt hatte mit ihrer Unschuldsbehauptung. Ob dem aber wirklich so ist, wird sich herausstellen müssen.
In schnörkellosem Stil ist dieser Psychothriller geschrieben, mit dem sich die Schriftstellerin Mary Higgins Clark 1975 in die Bestenlisten hineinschrieb. Seitdem gilt sie nach wie vor als eine Meisterin des Psychothrillers. Oft sind typisch amerikanische Kleinstädte die Orte für ihre Romane.
Wintersturm liest sich schnell und bietet eine pure spannende Unterhaltung.

Higgens Clark, Mary
Wintersturm
Aus dem Amerikanischen von Heinz Rentmeister
Heyne, München
ISBN 9783453025103

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015

Werner Toelcke: Totenschein inklusive

imageVielleicht mag man sich ja wundern, dass ich den Krimi eines Selbstverlegers bespreche. Das hat natürlich seinen Grund. Das hier besprochene Buch hatte ich bereits in den 1970er Jahren gelesen. Es war unter einem anderen Titel in der DIE-Reihe in der DDR erschienen. DIE steht für Delikte, Indizien und Ermittlungen. Der Autor war in der DDR ein sehr renommierter Schauspieler, Drehbuch- und Buchautor, bevor er Anfang der 1980er Jahre in den Westen ging und dort noch Drehbücher für das ZDF schrieb. Seine teils mehrteiligen Fernsehkrimis waren für die damalige Zeit den Francis-Durbridge- und Stahlnetz-Krimis vergleichbar. Als Autor hatte er sich eine Besonderheit in der DDR-Medienszene herausgenommen: Seine Geschichten spielten alle in der Bundesrepublik. Auch das hatte seine Grund: In der DDR durfte es keine Morde geben. Mit den Verbrechen im Nachbarstaat tat man sich leichter. Dadurch wurden die Krimis von Toelcke aber auch immer etwas exotisch und man hatte das Gefühl, Westfernsehen eingeschaltet zu haben, wenn man seine Filme sah. Das vorliegende Buch steht heute immer noch in meinem Bücherregal und ich war erfreut, den Namen Werner Toelcke wenigstens in den digitalen Verkaufsregalen wiederzufinden.

Nach vielen Jahren Abwesenheit kehrt Henry Berger aus Mexiko nach Deutschland zurück. Als er seine Mutter in Hamburg besuchen will, muss er feststellen, dass das Haus, in dem er ihr eine Wohnung gekauft hatte, gar nicht existiert. Er begibt sich auf die Suche und trifft auf seine alten Freunde und Bekannte. Dabei auch seine Freundin von damals, die eigentlich seine Frau hätte werden sollen. Er erfährt, dass seine Mutter in der Seniorenresidenz, in die sie gebracht worden war, nach nur sehr kurzer Zeit verstorben ist. Berger stellt Fragen nach dem Geld. Welches Glück für eine Seniorenresidenz, wenn ihre Mitglieder sich für 100.000 DM einkaufen und dann nach zwei Monaten versterben. Ein wahrer Segen. Als er den „Gönner“ zur Rede stellen will, trifft er diesen nur tot in dessen Appartement. Für viele, u. a. dem Hauptkommissar, ist die Sache klar: Berger ist der Mörder, zumal er vor etlichen Jahren bereits einmal wegen Totschlags verurteilt worden war. Seitdem gilt er als Totschläger und ist jetzt wieder der beste Sündenbock.

Ein von Anfang an spannender Roman. Bis zum Schluss bekommt der Leser keine Ahnung davon, wer der Täter sein könnte. Immer wieder kommen neue oder bekannte Personen in Verdacht, ein aufs andere Mal schlägt die Handlung eine unerwartete Richtung ein. Neben der Spannung zieht der Krimi seinen besonderen Charme aus der Zeit, in der er spielt: Mitte der 1970er Jahre. Man muss sich damit abfinden, dass die Ermittler noch kein Handy haben. Sollte aber nicht schwer fallen. Maigrets und Holmes werden heute auch noch gelesen und hatten auch kein Handy. Davon abgesehen ist die Handlung sehr aktuell und könnte ohne weiteres in der heutigen Gesellschaft spielen. Denn natürlich geht es auch um geldgierige Baulöwen, korrupte Politiker, betrogene Anleger und schnell gefundene Opfer.

160.000 gedruckte und verkaufte Bücher in den Jahren 1978 bis 1995 sind schon eine Hausnummer, die einen Rezensenten nicht unberührt lassen. Gepaart mit der spannenden und sanften Handlung ist dieses Buch eine Empfehlung wert.

 

Toelcke, Werner
Totenschein inklusive
Selbstverlag
Kindle-Edition

© Detlef Knut, Düsseldorf 2014

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»Eiskalt« von Robert B. Parker

Es gibt Bücher, da hat man das Gefühl, nach Hause zurückzukehren. Die Jesse-Stone-Reihe gehört in meinem Falle dazu. Ich hatte nur den ersten Satz des zweiten Kapitels in dem dritten Buch, welches ich bislang vor der Nase hatte, gelesen und war sofort gefangen. Die Örtlichkeiten, das Setting, die Figuren – neben Jesse vor allem Suitcase und Molly, aber auch andere –, die Stimmung: Alles schien mich willkommen zu heißen.

Annegret Koerdt: BrandHeiß

clip_image002Mord, Medien, Merckel – so das Motto der in Düsseldorf spielenden Kriminalromane von Annegret Koerdt. Nach FeuerRot folgte nun BrandHeiß und die reizende Privatdetektivin mit dem unverwechselbaren Namen Angela Merckel – mit „ck“ wohlgemerkt – hat wieder Grund genug, sich in die knallharten Ermittlungen der Polizei einzumischen.

Nach einem Fernsehinterview mit dem bundesweit bekannten Werbemenschen Hartwig von der Agentur P&S wird die TV-Moderatorin Babette Freudentaler in einem sehr renommierten Düsseldorfer Luxushotel Breidenburger Tor tot aufgefunden. Die Kriminalpolizei beginnt zu ermitteln. Etwa zur gleichen Zeit bekommt die Privatdetektei von Angela Merckel und ihrem Lebensgefährten Jan einen Auftrag von dem Geschäftspartner Hartwigs. Es wird in der Agentur spioniert. Wichtige Informationen über laufende Vergabewettbewerbe gelangen an die Konkurrenz. Ela und Jan sollen den Spion in der Agentur aufdecken. Dafür heuert sie undercover als Praktikantin in der Agentur an. Hier läuft sie allerdings, einen Freund der Familie, über den Weg. Tom ist bei der Kripo und ermittelt in Sachen Freudentaler. Beide kennen sich über Jan, der vor seiner Zeit als Privatermittler auch bei der Kriminalpolizei gearbeitet hat. Für Ela ist ein Mordfall wesentlich interessanter als ein Fall von Firmenspionage. Deshalb muss sich der Leser nicht wundern, dass sich die Privatdetektivin in die Mordermittlungen einmischt.

Annegret Koerdt hat einen leichten, lockeren, schnell zu konsumierenden Krimi zu einem tiefernsten Thema geschrieben, der es bei aller Lockerheit nicht an Spannung und Action vermissen lässt. Das meist aus der Werbebranche stammende Vokabular wird nicht überstrapaziert und selbst der Unbedarfte kommt mit, worüber die „Werbefuzzis“ reden. Real existierende Personen oder Institutionen haben einen fiktiven Namen erhalten, damit keine Rückschlüsse gezogen werden können. Von Beginn an wird der Leser in das Geschehen hineingezogen. Dennoch wird es im Verlaufe der Handlung zunehmend rasanter und die Wendungen kommen jedes Mal wie ein unerlaubter Tiefschlag beim Boxen. Da man als Leser gerne mitermittelt oder eher spekuliert, wird er mit der einen oder anderen Sackgasse rechnen müssen, bevor er zum Schluss mit der Auflösung konfrontiert wird.

Ein Kriminalroman, der Spaß macht, deren Figuren einem ans Herz wachsen – die Guten natürlich nur – und der einigen Lokalkolorit rüberbringt, obwohl er als Kriminalroman natürlich auch in der anderen Großstadt spielen könnte. Dafür gebe ich gerne die volle Punktzahl.

 

Koerdt, Annegret
BrandHeiß
ars vivendi, Cardolzburg
ISBN: 9783869132785

© Detlef Knut, Düsseldorf 2014

Robert B. Parker: Das dunkle Paradies

clip_image002Zugegeben: Als Fan des amerikanischen Schauspielers Tom Selleck (Magnum P.I.) kommt man kaum umhin, sich auch in Sekundärliteratur mit den Figuren zu befassen, die von ihm verkörpert wurden und werden. Das führte unweigerlich zu dem amerikanischen Schriftsteller Robert B. Parker, dessen bekannteste Serienfigur der Privatdetektiv Spenser, gespielt von dem Schauspieler Robert Urich, ist. Um dem Privatdetektiv etwas entgegenzusetzen, schuf Parker den Polizisten Jesse Stone. „Das dunkle Paradies“ erschien 1997 unter dem Titel „Night Passage“ und ist der erste Fall für den alkoholabhängigen L.A.-Cop.
Stone wurde in Los Angeles wegen seines Problems gefeuert. Er war in den Augen seiner Chefs nicht mehr polizeitauglich. Doch er hat Glück. Er bekommt ein Vorstellungsgespräch und wird Polizeichef in einem kleinen Örtchen namens Paradise an der Ostküste der USA. Eine ruhige und beschauliche Kleinstadt, in der er in aller Ruhe sein Alkoholproblem aus der Welt schaffen kann, denkt er. Doch er ahnt zunächst nicht, dass ihn der Stadtrat gerade deshalb als Polizeichef eingestellt hat, weil er Trinker ist. Auch die Herren Stadträte, allen voran ihr Obermuffti Hasty Hathaway, der gleichzeitig der Inhaber der ortsansässigen Bank ist, brauchen für die Abwicklung ihrer miesen Geschäfte Ruhe und vor allem keinen herumschnüffelnden Polizeichef.
Zentraler Angelpunkt des Romans ist die Figur des Jesse Stone. Die Aufklärung der Kriminalfälle sind unterhaltsame Nebensache. Jesse Stone ist reizvoll spannend mit seiner Vita. Zwar wollte Parker keinen zweiten Spenser schaffen, aber irgendwie schien ihm doch die Figur eines Privatdetektivs am Herzen zu liegen. Zwar ist Stone kein P.I., sondern Cop, aber die Probleme, die er mit sich herumschleppt, ähneln ganz denen eines Privatdetektivs. Sie lassen sich vielleicht auf den kleinen Nenner bringen: alkoholabhängiger Looser bzw. Underdog. Nach seinem Rausschmiss bei der Mordkommission von Downtown L.A. braucht er auch Abstand von seiner Freundin, die sich durch die Betten Hollywood hangelt, um eine Karriere als Schauspielerin zu starten. Der Job auf der anderen Seite der USA kommt ihm da gerade recht. Er mag zwar noch sein Problem mit dem Trinken haben, aber das heißt noch lange nicht, dass er nicht mehr für Recht und Ordnung eintreten kann. Schließlich gehörte er in L.A. nicht umsonst zu den erfolgreichsten Ermittlern mit einer hohen Aufklärungsquote.
Die Figur scheint dem Schauspieler Tom Selleck wie auf den Leib geschrieben. Doch sie ist es nicht. Es gab sie zuerst, dann wurde gecastet und Tom passte zu Jesse wie die Faust aufs Auge. Obwohl die Romanfigur wesentlich jünger als die Filmfigur ist, hat man dieses Alter schnell ausgeblendet. Denn wenn man die Jesse-Stone-Filme (sie gibt es auch in einer deutschen Fassung) zuerst gesehen hat, dann hat man beim Lesen eh immer das Gesicht der Filmfigur vor Augen. Und dann stimmt alles. Dann lehnt man sich zurück, spaziert durch eine amerikanische Kleinstadt, vergisst die Zeit und ist ständig getrieben von der Frage, ob Stone die Probleme in der Stadt und die in seinem Herzen und seinem Kopf in den Griff bekommt.
Dem Bielefelder Pendragon Verlag ist es zu verdanken, dass die Romane von Robert B. Parker, sowohl “Spenser” als auch “Jesse Stone”, in Deutschland auch auf Deutsch verfügbar sind. Der erste Fall für Jesse Stone hat meine Erwartungen voll erfüllt.

Parker; Robert B.
Das dunkle Paradies

Aus dem Amerikanischen von Robert Brack

Taschenbuch
Pendragon, Bielefeld
ISBN 9783865323552

© Detlef Knut, Düsseldorf 2013