»Licht & Glut« von Jennifer Haigh

Der vorliegende Roman ist ein großartiger Gesellschaftsroman, der in den ländlichen Gegenden der USA, genauer gesagt in Pennsylvania spielt.

Haigh hat sich eines Themas angenommen, das ich ansonsten nur von T. C. Boyle erwarte. Sie beschäftigt sich mit aktuellen gesellschaftlichen Prozessen. Dabei bedient sie sich der Problematik der Gas-Energiegewinnung mittels Fracking.
Die Kleinstadt Bakerton hatte schon bessere Zeiten erlebt, es gab mal sehr viel Bergbau. Der Bergbau hatte die Menschen dieser Gegend ernährt und für Wohlstand gesorgt. Doch dann wurde er eingestellt und es ging bergab. Die hier lebenden Menschen wurden ärmer und ärmer. Da taucht plötzlich ein texanischer Energiegigant auf und verspricht den Landbesitzern eine riesige Menge Geld. Sie müssten ihr Land nicht einmal verkaufen, sondern lediglich die Bohrrechte übertragen und kassieren daraufhin an den geförderten Gasmengen auf ihrem Land. Für viele hört sich das sehr lukrativ an, außerdem würden auch wieder Arbeitsplätze geschaffen. Doch viele Nachbarn zweifeln auch daran, dass so schnell Geld gemacht werden kann. Als dann die Bohrtrupps anmarschieren, wird die Naivität und Gier eines großen Teils der Bevölkerung sichtbar. Das Grundwasser wird kontaminiert, die Arbeiten werden von texanischen „Gastarbeitern“ durchgeführt.

Lisa Moore: Der leichteste Fehler

imageDie in Neufundland geborene kanadische Schriftstellerin Lisa Moore hatte bereits mit ihrem Debütroman „Im Rachen des Alligators“ einen nationalen Bestseller gelandet und befindet sich immer noch auf dem wachsenden Ast. In ihrem 2013 erschienenen Roman „Der leichteste Fehler“ geht es um einen jungen Mann namens David Slaney, der vor wenigen Jahren auf die schiefe Bahn gerutscht ist. Der Roman beginnt mit dem Ausbruch Slaneys kurz vor seiner Entlassung aus dem Gefängnis, in welchem er die letzten vier Jahre verbracht hat. Naiv und blauäugig hatte er damals mit seinem Freund Hearn geglaubt, mal eben so 2 t Marihuana durch den Atlantik von Kolumbien nach Kanada zu schmuggeln. Sie waren von kanadischen Fischern entdeckt worden. In ihrer Unerfahrenheit glaubten sie, die Fischer würden es bei einem Kopfschütteln belassen. Das taten diese natürlich nicht, sondern informierten die Polizei. Das Ergebnis: Slaney geht für vier Jahre in den Knast, während sein Freund Hearn durch einen guten Rechtsanwalt freikommt. Kurz vor seinem Geburtstag bricht Slaney aus dem Knast aus, um so schnell wie möglich wieder zu Hearn zu gelangen, denn der nächste Coup steht auf dem Plan. Nun begleitet der Leser den Protagonisten auf einem road trip durch Kanada. Dabei erfährt er viele Hintergründe aus dem Leben des jungen Mannes, erfährt, warum Hearn freigekommen war, wie Slaney aufgewachsen ist, welchen Umgang er mit Mädchen pflegt und viele weitere einzelne Details. Geht es ihm zunächst darum, seine Freundin Jennifer wieder zu treffen, so ist das wesentliche Ziel doch sein Freund. Slaney selbst ist in den Jahren erfahrener geworden und würde lieber nicht so risikobereit in das nächste Geschäft einsteigen. Doch schließlich kann ihn sein Freund davon überzeugen, dass alles in Ordnung geht und er sich keine Sorgen machen bräuchte. Letztendlich vertraut Slaney wieder seinem Freund, denn schließlich war es dieser, der in den letzten Jahren diesen neuen Deal organisiert hat. Slaney begibt sich erneut auf eine waghalsige Tour, doch die wahre Gefahr kann er nicht einmal erahnen.

Lisa Moore ist ein stiller Roman gelungen, der Ende der 1970er Jahre in Kanada spielt und den Drogenschmuggel von Kolumbien nach Neufundland zum Thema macht. Sie zeigt den großen Drang nach Freiheit, den ein Mensch verspüren kann, und dabei die Berücksichtigung aller Risiken vernachlässigt. Erzählt wird außerdem eine Geschichte von Freundschaft. Es ist eine Geschichte zwischen den Jugendfreunden von damals und deren Entwicklung bis zur aktuellen Handlungszeit des Romans. Faszinierend ist die Stimmung, die sie erzeugt, wenn der Leser versucht, eine Sympathie zum Protagonisten aufzubauen und, ähnlich wie in den Geschichten des großen amerikanischen Schriftsteller T. C. Boyle, erkennen muss, dass der Protagonist auf ein riesiges Desaster zuläuft. Zwar kann der Leser versuchen, den Protagonisten Glück zu wünschen, aber letztendlich ahnt er, dass dieser Wunsch nicht sehr viel helfen wird.

Kritisch an dem Buch finde ich zwei Sachen, auf die die Schriftstellerin wahrscheinlich weniger Einfluss hatte. Das ist einerseits der Umschlag der deutschen Ausgabe, dessen Bild gar nichts zu dem Inhalt des Romans aussagt. Zum anderen sind es die fehlenden Anführungszeichen für die wörtliche Rede. Künstlerische Freiheit hin oder her, eine Autorin hat die Pflicht, ihren Lesern das Lesen weitgehend zu erleichtern und ihnen dabei Hilfestellung zu geben. Wenn die Dialoge ohne Kennzeichnung ausgeführt werden, dann erschwert dies das Lesen ungemein. Ständig muss sich der Leser orientierten, und bei jedem Satz versuchen, herauszufinden, ob es sich um eine wörtliche Rede, die Stimme des Erzählers oder gar die Gedanken einer Figur handelt. Nach etlichen Seiten Lesens gewöhnt sich der Leser zwar an diesen Stil, aber besonders attraktiv wird es ihm nicht gemacht.

Da bei mir die Geschichten im Vordergrund stehen, vergebe ich dennoch eine klare Empfehlung und sehe dabei über die genannten Kritikpunkte hinweg.

 

Moore, Lisa
Der leichteste Fehler
Aus dem Englischen von Kathrine Razum
Hanser Verlag, München
ISBN: 9783446247239

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015